Vor etwa 30 Jahren hatte ich zum ersten Mal von der Post Office Railway, auch MailRail genannt, gelesen. Bis 2003 für den Posttransport zwischen den Londoner Postsortierzentren in Betrieb, gab es keine Chance diese Schmalspur-U-Bahn zu besichtigen, geschweige denn damit ein Stück zu fahren.
Seit 2017 wurde allerdings eine kurze Strecke im früheren „Bahnhof“ Mount Pleasant als Besucherattraktion im Rahmen des Postmuseums eröffnet. Für mich war damit klar, dass beim nächsten Londonbesuch eine Fahrt mit dieser weltweit fast einzigartigen Bahn (vergleichbar damit waren nur die Chicago Freight Tunnels) auf dem Programm stand. Wie auf der Homepage des Museums empfohlen, hatten wir die Tickets online für einen time slot gebucht. Die Besucheranzahl war am frühen Vormittag allerdings mäßig, sodass es problemlos noch Karten gegeben hätte. Gegenüber dem eigentlichen Museum geht man im MailRail Gebäude in den Keller, wo sich die ehemalige Bahnwerkstätte befindet, von der aus der batteriebetriebene Besucherzug startet. Die ursprüngliche Stromschiene steht nicht mehr unter Spannung. Eines sei vorweggesagt, Klaustrophobie darf man für eine Fahrt in den niedrigen Wagen durch enge Tunnel nicht haben. Zuerst geht es eine Steilrampe, zuerst in einem zweigleisigen, dann in einem engen eingleisigen Tunnel aufs Niveau des Mount Pleasant Verladebahnhofs hinunter. Unten wird dann der zweigleisige Streckentunnel erreicht, in dem der Zug unerwartet stehen blieb und der Fahrer ausstieg, den Zug entlang ging und irgendetwas inspizierte. Von meinem Platz konnte ich dann nur hören, dass er über Funk mit der Betriebsleitung sprach und offenbar ziemlich beunruhigt wirkte. Danach wandte er sich über Lautsprecher an die Fahrgäste und sagte, dass man es beim Schmieren des Zuges zu gut gemeint hat und er Probleme bei der späteren Bergauffahrt befürchte. Er würde jetzt aber weiterfahren und beim ersten Stopp dann Anweisungen von den Technikern erhalten. Der erste Stopp fand dann an einem der früheren Verladebahnsteige statt. An die Tunnelwand wurden Videoclips und Bilder aus der Geschichte der MailRail projiziert, dazu passende Geräuschkulissen und Erklärungen aus den Lautsprechern. Der Fahrer erklärte dann, merkbar nervös, dass er Anweisung erhalten hat, weiterzufahren und es ging durch einen zweigleisigen Tunnel weiter zum anderen Verladebahnsteig, wo es wieder eine Multimediapräsentation gab. Nach kurzer Fahrt im Streckentunnel zweigten wir in den engen Rampentunnel ab, wo das passierte, was der Fahrer befürchtet hatte: auf der Steilrampe bleib der Zug mit schleudernden Antriebsrädern stecken. Zwei Anfahrversuche scheiterten und der Fahrer erklärte uns, dass er den Zug zurückrollen lassen werde. Dann im nicht so engen Streckentunnel zum hinteren Führerstand wechseln und zum Bahnsteig zurückfahren werde, um dort den Zug zu evakuieren. Nachdem der Zug über eine Weiche aufs Bahnsteiggleis gewechselt war, ging mit Sound- und Lichteffekten zum zweiten Mal die Multimediapräsentation los, die aber rasch ausgeschaltet wurde. Am Bahnsteig wurde der Zug von einer Museumsmitarbeiterin erwartet und eskortiert von ihr und dem Fahrer ging es durch das Fluchtstiegenhaus etwa 4 Stockwerke nach oben, wo wir den Verladehof des Postsortierzentrums Mount Pleasant erreichten. Dieser liegt unterhalb des Straßenniveaus und wir gelangten ebenerdig in den ehemaligen Werkstättenbereich, in dem unsere Fahrt begonnen hatte. Dort befindet sich auch noch eine Ausstellung mit Fahrzeugen und auch einem Kontrollpult der MailRail, denn die Posttransportzüge waren fahrerlos unterwegs gewesen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist das eigentliche Postmuseum, dessen Besichtigung bei Buchung einer Fahrt mit der MailRail inbegriffen ist, für das aber auch alleine eine Eintrittskarte gekauft werden kann. Es wird ein guter Überblick über die Geschichte der Post im Vereinigten Königreich geboten.
Normalerweise dauert die Fahrt etwa 15 Minuten, ein Aussteigen im Untergrund ist nicht vorgesehen. Ich nehme an, dass das, was wir erlebt haben, eher selten vorkommt und kann die Fahrt mit diesem einmaligen Verkehrsmittel empfehlen.